Die Intensivwoche der Yogalehrer*innen Ausbildung
Veröffentlicht von Hannah Meyer | 18. April 2023
Meine bisherigen Blogartikel habe ich immer spontan und impulsiv verfasst. Ich habe sie nicht geplant, mir das Thema nicht vorgenommen. Ich habe sie einfach aus einem Gefühl herausgeschrieben. Aber den Beitrag über die Intensivwoche hatte ich eingeplant. Ich war fest davon ausgegangen, dass mir diese Woche so viel Gedankenmaterial liefern würde, dass ich mit einem großen Themenfundus für den Blog nach Hause kommen würde. Aber jetzt sind mittlerweile schon einige Wochen nach der Intensivwoche vergangen und immer noch ist kein Blogartikel über diese Erfahrung entstanden. Ich habe bis jetzt auch wenig davon in meinem Umfeld erzählt. Wenig mit meinen Freund:innen und meiner Familie geteilt.
Meine Standardantwort auf die Frage, wie denn die Woche gewesen war, ist „intensiv“. Das fasst es auch ganz gut zusammen, um ehrlich zu sein. Aber würde ich an eurer Stelle diesen Blog lesen, vielleicht weil ich mit dem Gedanken spiele, mich zum nächsten Ausbildungsturnus anzumelden, würde mich diese Woche so brennend interessieren, dass ich doch versuchen möchte mehr meiner Erfahrungen mit euch zu teilen.
Eine Woche auf dem Hof de Brulle
Wenn man den Hof de Brulle betritt, ist einem ziemlich schnell klar, dass man nun offiziell aus seinem Alltag herausgefallen ist. Der alte Hof liegt in den Niederlanden, in Süd-Limburg. Eine kleine gewundene Allee führt zu seinem Parkplatz. Er liegt etwas erhöht, auf einem Hügel, sodass man vom Hofeingang aus die geschwungene Landschaft Süd-Limburgs betrachten kann. Sie ist der hügeligen Landschaft Aachens gar nicht so unähnlich, nur ein bisschen weicher, als hätte man die kleinen Berge hier noch einmal mit besonderer Sorgfalt glattgestrichen und abgerundet.
Es gab Zweibett- und Einzelzimmer für uns. Ich habe mit einer Mitschülerin und mittlerweile Freundin ein Zweibettzimmer geteilt, dass direkt an den Innenhof angrenzte. Dieser Innenhof wurde komplett von den alten Gebäuden umrahmt. Anfang März lag er noch im Winterschlaf, aber man konnte trotzdem erkennen, wie schön er im Sommer sein muss, mit seinen vielen Beeten und Sitzgelegenheiten. Von unserem Zimmer aus musste man einen kleinen Umweg am Hühnerstall vorbei machen, um in unsere Gemeinschaftsräume zu gelangen. Uns stand ein gemeinsames Wohn- und Esszimmer zur Verfügung, an das eine Küche angrenzte. Darüber befand sich unterm Dach eine Art Tagungsraum, der für die sieben Tage unsere Shala wurde. Hier verbrachten wir die meisten Zeit, praktizierten und lernten.
Eine eigene kleine Welt
Ich brauchte ungefähr 24 Stunden, um mich an den Lebensrhythmus der Intensivwoche der Yogalehrer:innen Ausbildung zu gewöhnen. Dabei war er eigentlich sehr simpel. Gegen 7 Uhr begann mein Tag mit einer Tasse Tee, um 7.30 Uhr gab es die erste Yogaklasse. Anderthalb Stunden praktizierten wir gemeinsam. In der Regel war die Morgenpraxis anstrengend. Sie energetisierte uns und weckte die Vorfreude auf das Frühstück. Um halb 10 wartete Melanie, unsere ayurvedische Köchin dann mit genau diesem Frühstück im Esszimmer auf uns.
Anschließend gab es vormittags einen Theorie- und Workshopblock. Danach aßen wir zu Mittag und genossen die längste Pause des Tages. Schließlich folgte ein zweiter theoretischer Block, an den das Abendessen anschloss. Um 20 Uhr trafen wir uns ein letztes Mal in der Shala für die Abendpraxis. Oft praktizierten wir dann Yin oder einen beruhigenden Flow, mit dem wir den Tag abschlossen. Danach ging eigentlich die gesamte Gruppe brav ins Bett.
Diesen Tagesablauf hatte man schnell verinnerlicht, und er fühlte sich bald an, wie ein sich immer wiederholender Yogaflow. Ich bewegte mich im Atem und Rhythmus dieses Ablaufes, ließ mich in seine immer wiederkehrenden Routinen hineinfallen. Meine Mitschüler:innen gingen oft in der Mittagspause spazieren oder zu dem kleinen Café in der Nähe. Aber abgesehen von der Wanderung, die Nick mit uns trotz Regens an einem Nachmittag durchzog, verließ ich den Hof nicht. Unser kleines Schlafzimmer, der angrenzende Hof, der Hühnerstall und unsere Gemeinschaftsräume wurden für sieben Tage meine kleine, sehr überschaubare Welt. Eine Welt in der ich häufig nur meine Armbanduhr mit mir herumtrug. Kein Handy, kein Laptop, keine Nachrichten.
Wenn das Außen dem Innen Platz macht
Ich weiß, ich weiß, so langsam fragt man sich: „Und wie war es dann?“ „Was ist denn in der Intensivwoche passiert und was hast du gelernt?“. Natürlich könnte ich euch jetzt noch das Workshop-Programm auflisten, euch etwas über die Chakrenlehre erzählen. Das ist aber gar nicht mein zentrales Learning aus dieser Woche. Vielmehr habe ich folgende Erfahrung gemacht: Wenn eine Welt, die normalerweise durch so viele verschiedene Einflüsse geprägt ist, auf einmal auf Hofgröße zusammenschrumpft, und ein Alltag, der normalerweise jeden Tag aufs Neue strukturiert werden muss, in so regelmäßige Routinen eingebettet wird und wenn zudem all die Verpflichtungen und To-Dos des normalen Lebens auf etwas so Simples, wie die Frage, in welcher Pause wohl die Dusche frei ist, reduziert werden, dann bildet diese Einfachheit eine eigene kleine Blase und die Erfahrung von Yoga wird eine grundlegend andere.
So wie in der Intensivwoche habe ich noch nie Yoga praktiziert. Denn all das Außen, dass mir im täglichen Leben so viel Aufmerksamkeit abverlangt, war auf einmal klein. So klein, dass das Innen Platz hatte, sehr, sehr groß zu werden. An manchen Tagen konnte ich mich auf die Matte setzen und mit einem Gefühl beginnen, dass sich im Studio in der Regel erst am Ende einer Klasse einstellt. Die Intensivwoche der Yogalehrer:innen Ausbildung war nicht unbedingt schön, sie war ereignisreich. Und wir alle erlebten diese Erfahrung gemeinsam, wir unterstützen uns, tauschten uns aus und verteilten die ein oder anderen Taschentücher.
Ich bin sehr dankbar für meine Mitschüler:innen. Dankbar für die wunderbaren Erinnerungen an die Gespräche am Frühstückstisch, während die Frühlingssonne Muster auf die Tischplatte zeichnete, oder für die heimlichen Kekse, die ich mit meiner Zimmernachbarin teilte, während das Gemurmel aus dem Nebenzimmer durch die Wände drang. Unsere Zeit war prall gefüllt mit individuellen und geteilten Erfahrungen und sie floss wahnsinnig schnell dahin. „Es war ein Auf und Ab“, sagte eine meiner Mitstreiterinnen am Sonntag, und in der Tat: Es war ein inneres Auf und Ab, während das Außen jeden Tag gleichmütig an uns vorbeischritt.
Nach der Yogalehrer:innen Ausbildung Intensivwoche – wieder Zuhause
Wieder Zuhause brauchte ich einige Tage, um mich wieder an meinen eigentlichen Alltag zu gewöhnen. Dennoch ging ich fest davon aus, dass sich dieser bunt zusammengewürfelte Erfahrungshaufen, den ich mitgebracht hatte, sich mit der Zeit ordentlich in die Regale meiner Erinnerungen würde verstauen lassen. Aber das ist auch zwei Wochen später noch nicht so wirklich passiert.
Ich konnte Dinge aus der Intensivwoche mitnehmen und sie hatte eindeutig einen positiven Effekt auf meinen Alltag. Aber die Woche Revue passieren zu lassen, fühlt sich ein bisschen so an, wie eine Schneekugel zu schütteln. Sie bleibt einfach eine Blase, eine Erinnerungskonglomerat, dass von diesem Ort und dieser Zeit so eingerahmt wird. Und das ist auch in Ordnung so. Also werde ich es bei dieser vagen Erlebnisschilderung belassen und euch einfach ermuntern einmal selbst die Intensivwoche mitzumachen. Und die Yoga Ausbildung gleich mit. Der Hof De Brulle ist immer eine Reise wert.