Nick Runia

„Streich Shavasana“ – sind 60-minütige Yogaklassen besser?

Veröffentlicht von Nick Runia | 9. Mai 2021

60 vs. 90 Minuten Yogaklassen

Der online Yogaunterricht in Corona-Zeiten verstärkt einen Trend, der schon länger anhält: Yogaklassen werden immer kürzer. Noch vor ein paar Jahren waren Yogakurse rund um den Erdball 90 Minuten lang. Eine Theorie besagt, dass die 90-minütige Tradition aus dem Ashtanga Yoga kommt. Die erste Ashtanga Serie dauert in etwa 90 Minuten und so bekamen auch offene Yogaklassen diese Länge. Aber auch der Gedanke, dass sich die energetische Reinigung in 90-minütigen Zyklen vollzieht, kann als Erklärung für ebenso lange Yogaklassen herangezogen werden.

Doch schon vor Corona gab es Studios, in denen es ausschließlich noch 75-minütige oder 60-minütige Kurse gab. Zur Mittagszeit wurden mancherorts halbstündige Kurse ins Leben gerufen. Und jetzt, da alle Schüler vor dem Bildschirm sitzen, gibt es nur noch wenige 90 Minuten Yogaklassen. Eigentlich seltsam, da nun ja Wegzeiten zum Studio wegfallen. So sollten wir doch tendentiell mehr Zeit zum Üben haben als zuvor, oder?

Mit einem Blick auf unseren Kursplan findest Du schnell heraus, dass wir Freunde 90-minütiger Yogaklassen sind. Aber auch wir sehen Vorteile in kürzeren Unterichtsformen. Die aus unserer Sicht wichtigsten Vor- und Nachteile von 60-minütigen Yogaklassen stellen wir im Folgenden vor. Wir würden uns freuen, wenn das einen Meinungsaustausch über die Länge von Yogakursen anstößt. Schreib uns gerne, ob Du Dir mehr kürzere Klassen wünschst, oder ob Du mit den vielen 90-minütigen Klassen glücklich bist.

Vorteile 60-minütiger Yogaklassen

  1. Leichterer Zugang: Die Hürde eine 60-minütige Yogaklasse zu besuchen, ist vor allem für Yoga Anfänger geringer. Selbst wenn Yoga nichts für einen ist – nach einer Stunde ist es ja schon wieder vorbei. Und auch vielen erfahreneren Yogis fällt es leichter eine Stunde zwischen Job, Familie und Smartphone freizuschaufeln als 90 Minuten. Gerade für diejenigen, die einen stressigen Alltag leben gilt: lieber etwas Zeit für sich selbst als gar keine Zeit für sich.
  2. Kürzere Klassen lohnen sich für Studios mehr: Die meisten berufstätigen Menschen haben früh morgens oder ab den späten Nachmittagsstunden Zeit für Yoga. Die Zahl der Yogaklassen, die ein Studio im Tagesverlauf füllen kann, ist also stark begrenzt. Wenn ein Yogastudio abends nun drei statt zwei Kurse anbieten kann, ist das natürlich lukrativer. Außerdem ist die relative Zahlungsbereitschaft der Schüler für einen 60-minütigen Kurs in der Regel höher als für einen 90-minütigen Kurs. Und mit einem ersten Blick auf die Preisliste ist in der Regel eh nicht klar, wie lang nun die Kurse sind und ob man überhaupt eine ähnliche Leistung vergleicht. Schau Dir diesbezüglich einfach einmal die Preise in Aachener Studios an.
  3. Auch 60 Minuten sind mehr als die normale YouTube Yogapraxis: Yogaschüler, die vor allem mit YouTube Videos üben, praktizieren normalerweise Einheiten zwischen 10 und 45 Minuten. Auf dem Kanal der mit Abstand größten deutschen YouTube Yogini, Mady Morrison, gibt es genau ein 60-minütiges Video. Alle anderen Klassen sind deutlich kürzer. Möchte man diese Schüler von einem Besuch im Studio begeistern, hat man mit 60-minütigen Kursen wahrscheinlich größere Erfolgsaussichten. Denn ausgiebige Warm-Ups und Cool-Down Phasen erleben diese Schüler einfach nicht so oft.

Nachteile des 60-minütigen Yogaunterrichts

  1. Kann Yoga in seiner Ganzheitlichkeit kaum abbilden: Die wachsende Popularität von Yoga in Deutschland ist zu einem großen Teil auf den athletischen und körperformenden Teil der Praxis zurückzuführen. Dieser Teil der Praxis ist wunderbar und bringt in viele Leben einen echten Mehrwert. Dennoch möchten wir natürlich auch andere Qualitäten von Yoga wie Meditation, Philosophie und Atem vermitteln. Das ist in 60 Minuten Kursen nicht ausgeschlossen, es ist aber deutlich schwerer diese ruhigen Elemente mit aufzunehmen. Hinzu kommt, dass sich viele Schüler hierauf auch erst nach einer anstrengenden Praxis einlassen können. Die Ganzheitlichkeit von Yoga entfaltet sich in kürzeren Kursen daher weniger gut. Nicht umsonst wird in 60-minütigen Klassen meist zuerst an Shavasana gespart.
  2. Weniger Zeit zum Aufwärmen, weniger fortgeschrittene Asanas: Neben den Abstrichen bei der Ganzheitlichkeit, gibt es in kürzeren Klassen auch Abstriche bei der Komplexität der Asanas. Vor allem wenn Elemente wie ein Ankommen im Raum und Shavasana nicht komplett ausgelassen werden sollen, können nicht so fortgeschrittene Asanas wie in längeren Klassen unterrichtet werden. Denn für körperlich herausfordernde Asanas ist ein gut aufgewärmter Körper essentiell. Zudem müssen komplexe und ungewohnte Bewegungsabfolgen langsam vorbereitet werden, um alle Schüler sicher hindurchzuführen. Alles in allem entwickeln sich Schüler, die ausschließlich kürzere Yogakurse besuchen, also weniger.
  3. Weniger Zeit für individuelle Betreuung: Je länger die Yogaklasse dauert, desto mehr Zeit bleibt für individuelle Hilfestellungen und (vor Ort) Hands-On. Wir erleben immer wieder, dass Schüler gerade davon profitieren. Vielleicht ist Dir schon einmal aufgefallen, dass sich unsere Lehrer auf der zweiten Seite des Flows oder beim zweiten Durchgang einer Bewegungsabfolge gerne durch den Raum bewegen. Sie machen den Flow dann nicht mehr mit, sondern sagen ihn nur an. Dadurch können sie individuelle Hilfestellungen geben. In kürzeren Yogaklassen ergeben sich weniger Möglichkeiten durch den Raum zu gehen (oder die Videos der Teilnehmer anzusehen, statt den Flow selbst mitzumachen).

Fazit

Kürzere Yogaklassen, mit beispielsweise 60-minütige Dauer, passen besser zum Zeitgeist. Yoga kann nur dann seine Wirkung entfalten, wenn es praktiziert und gelebt wird. Wenn viele Lebensmodelle so ausgesatltet sind, dass entweder kürzer Yoga geübt wird, oder gar kein Yoga geübt wird, spricht also viel für die 60 Minuten Yogaklasse. Zudem ist das sogar auch noch wirtschaftlicher für die Studios.

Auf der anderen Seite wünschen wir uns ein Yoga, was auf das Leben des Übenden einwirkt. Das ist wahrscheinlicher, wenn die Yogakurse länger sind. Dann bleibt mehr Zeit die verschiedenen Facetten von Yoga einzubinden.

Wir sollten aber nicht vergessen, dass neben der Dauer einer Yogaklasse noch viele weitere Aspekte für deren Wirkung entscheidend sind. Hier sind insbesondere die Qualität des Lehrers und dessen Sorgfalt in der Vorbereitung einer Klasse zu nennen.

Deine Meinung

Besuchst Du im Studio oder in Livestreams lieber kürzere oder längere Kurse? Welche Erfahrungen hast Du mit unterschiedlichen Kurslängen gemacht? Und wünscht Du Dir mehr 60-minütige Yogaklassen in unserem Studio?

Wir freuen uns auf einen Austausch. Alle Anregungen nehmen wir gerne mit in die hoffentllich baldige Wiedereröffnungsphase.