Daniela Beran

Yogalehrerin und Ernährungswissenschaftlerin

Was ist Yoga?

Veröffentlicht von Daniela Beran | 27. August 2020

Was ist Yoga?

Was ist Yoga? Gibt es eine Definition dieses Begriffes? Bestimmt hast Du Dich auch schon einmal gefragt, was diese vier Buchstaben bedeuten mögen. Ist es eine Sportart, eine Entspannungsübung oder doch sowas Indisches mit Gurus und Mediation? Nimm Dir gerne einen Moment und formuliere Deine eigene Definition von Yoga bevor Du weiterliest. Wenn Du Spaß daran hast, frage auch andere Yogis in Deinem Umfeld nach ihrer Definition. Du wirst feststellen, dass Yoga für jeden etwas ganz anderes sein kann. Jeder hat sein eigenes, ganz individuelles Verständnis. Tatsächlich gibt es keine einzig wahrhafte Beschreibung, die alles beinhaltet, was Yoga bedeuten kann. Warum das so ist, versteht man umso mehr, wenn man sich auf die Suche nach der Bedeutung und dem Wissen hinter dem Wort Yoga macht. Wir nutzen dafür die Bhagavad Gita, die zentrale Schift des Hinduismus.

Begriffsdefinition mit Hilfe der Bhagavad Gita

Ich orientiere mich auf meiner Spurensuche an der von Ralph Skuban übersetzten und kommentierten Ausgabe der Bhagavad Gita. In ihr wird ein Teil des Mahabharata Epos erzählt, welches eine Konversation zwischen dem Schüler Arjuna und seinem Lehrer Krishna beinhaltet. Arjuna steht vor einem verheerenden Krieg und gerät in Verzweiflung. Es folgt ein Lehrgespräch, welches Aufschluss gibt über den Sinn und das Prinzip des Lebens sowie das höchste Ziel und wie wir es erreichen. In diesem Zusammenhang werden auch einige Definitionen von Yoga übermittelt. So wird deutlich, dass es mehr als eine Sichtweise darauf gibt.

Yoga ist die Kunst des Handelns

Die erste Definition des Wortes Yoga aus der Bhagavad Gita bezieht sich auf das Handeln. Der Weg des Handelns heißt Karma-Yoga und wird als die praktische Weisheit des Yoga verstanden. Der Schritt vor dem Handeln ist der Weg der Erkenntnis, welcher auch Jnana-Yoga genannt wird und auf der Sankhya-Philosophie beruht. Es heißt: „Sankhya und Yoga sind untrennbar, sie sind wie Theorie und Praxis“ (S. 48). Karma-Yoga ist die Kunst zu handeln, ohne an Ergebnissen anzuhaften. Ein wichtiger Aspekt ist hier das Loslösen von allen Anhaftungen, von Identifikationen und damit das Durchbrechen des Kreislaufs von Ursache und Wirkung (= Samsara). Krishna spricht zu Arjuna: „Es ist an dir aktiv zu sein, doch nicht um der Ergebnisse deines Tuns willen. Beziehe deine Motivation nicht aus den Früchten deiner Arbeit und lasse dich auch nicht zur Untätigkeit verleiten. Handle, doch bleibe unerschütterlich in Yoga“ (S. 51).

Yoga ist Erleuchtung

Krishna spricht zu Arjuna: „Wenn dein Verstehen über die Illusion hinausgegangen ist, dann wirst du gelassen sein gegenüber Dingen, die du gehört hast und noch hören wirst. Und wenn dein Geist, der jetzt noch von Widersprüchen verwirrt ist, einst fest in Samadhi ruht, dann erfährst du den Zustand von Yoga – das ist Erleuchtung.“ Erleuchtung, oder auch der Zustand von Yoga, könnte man als Ziel ansehen, aber gleichzeitig auch als den Weg. Erleuchtet sind die Weisen, ruhend in Samadhi. Krishna gibt dazu auch eine genaue Beschreibung eines Weisen (S. 54). Kennzeichnend ist demnach das Losgelöstsein von persönlichen Wünschen, mentalen Anhaftungen, Leidenschaft, Angst, Ärger und weltlichen Objekten sowie die Kontrolle der unruhigen Sinne. All dies verlangt eine intensive Schulung des Geistes.

Yoga ist der Weg der Reinigung

Reinigung bedarf es grobstofflich auf körperlicher Ebene sowie feinstofflich auf mentaler Ebene. Es gibt viele verschiedene Methoden zur Reinigung im Yoga wie z.B. Pranayama oder Asanas. Den Körper wollen wir von Verunreinigungen oder Schlacken reinigen, um ihn gesund zu halten und zu würdigen. Den Geist bereinigen wir von Verwirrung und Konditionierung um das innere Licht, die innere Weisheit, Samadhi zu erkennen. Sich frei zu machen von Avidya, d.h. von spiritueller Blindheit oder auch der Verneblung des Geistes, das ist Yoga.

Yoga ist der Weg der radikalen Mitte

In der Bhagavad Gita heißt es: „Menschen müssen handeln. Doch brauchen sie auch Einkehr. Es geht also um Balance. Auf allen Ebenen“ (S. 79). Der Mensch muss sich also nicht entscheiden zwischen Jnana-Yoga (dem Weg der Erkenntnis) oder Karma-Yoga (dem Weg des Handelns). Diese beiden Wege ergänzen sich, ja, letztlich sind sie eins. „Wer Jnana-Yoga und Karma-Yoga als eins sieht, der sieht wirklich“ (S. 79). Wir versuchen immer wieder ein Gleichgewicht zu finden oder in anderen Worten die eigene Mitte, das innere Licht, die innere Weisheit. Yoga ist der Weg zur radikalen Mitte nicht nur von jedem Individuum selbst, sondern auch vom großen Ganzen, das Einssein mit dem inneren Licht aller.

Yoga ist Verbindung

Auch die Verbindung zwischen Körper und Geist, zwischen dem Individuum und dem Höheren, wird in der Bhagavad Gita thematisiert. Der Yogi konzentriert sich auf etwas und schafft dadurch eine Verbindung, eine Wechselwirkung welche daraufhin zu einem Zusammenschmelzen führt, Einssein. „Die Erfahrung, mit dem Höchsten verbunden zu sein, ist zugleich die Erfahrung des Einsseins mit allem, was ist.“ (S. 93)

Yoga ist ein Lebensweg

Ein Lebensweg braucht eine gewisse Weltanschauung, Regeln und ein Ziel. In der yogischen Philosophie finden wir Erklärungen wie unsere Welt aufgebaut ist, wie sie funktioniert und wie man sich in ihr verhalten sollte. „Buchstäblich der ganze Mensch wird von den Gunas geprägt. Und er ist täglich aufgerufen, seinen Geist zu transformieren, ihn immer sattvischer zu machen, ihn von der Kohle zum Diamanten zu schleifen – das ist der Weg des Yoga.“ (S. 183)

Dein Yoga

Im Yoga sind wir alle Schüler. So möchte ich Dich ermutigen Deinen Weg in diesem Sinne zu beschreiten. Nimm Yoga mit in Deinen Alltag, losgelöst von der Yogamatte oder dem Studio. Begib dich auf die Suche nach Deiner individuellen Definition und lebe sie! Denn „Yogischer Ethik geht es nicht um moralische Vorschriften, sondern um inneren Frieden.“ (S. 143)

In diesem Sinne, Namasté

Deine Daniela