Lara Steinfeldt

Kapalabhati – Atmen bis der Kopf leuchtet

Veröffentlicht von Lara Steinfeldt | 12. Dezember 2023

Kapalabhati

Kapalabhati – Atmen, bis der Kopf leuchtet

Kapalabhati ist wohl eines der bekanntesten Pranayama, also Atemübungen unter den Yogi:nis. Und das wohl zu Recht, denn der sogenannte Feueratem hat es in sich und soll nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf geistiger und energetischer Ebene seine Wirkung entfalten.

Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um eine Atem-, sondern auch um eine Reinigungsübung, also eine Kriya, wie sie im Yoga bezeichnet wird. Kriyas haben ihren Nutzen zur Reinigung auf allen Ebenen. So sollen durch die aktive Ausatmung in dieser Übung die Atemwege, das Blut, aber auch unser Kopf sowie unsere Energiekanäle gesäubert werden. Man könnte sie daher als Reinigungsübung für das eigene Zuhause bezeichnen.

Schaut man sich die wörtliche Übersetzung von Kapalabhati an, so wird auch der Titel des Blogposts verständlicher. So bedeutet Kapala “Kopf oder Schädel” und Bhati “leuchtend oder erhellend”. Wir möchten also unseren Kopf durch den Atem zum Leuchten bringen. Nun beginnt er hier natürlich nicht tatsächlich zu leuchten, jedoch wird dieser Atmung ein durchaus klärender Effekt auf unseren Geist und unsere Gedankenwelt zugesprochen. Somit handelt es sich eher um ein erhellendes Gefühl von mehr Leichtigkeit.

Wie funktioniert Kapalabhati und was gibt es zu beachten?

Kapalabhati gehört wie beschrieben unter anderem zur Kategorie der Pranayamas und somit zum vierten der acht Pfade nach Patanjali im Yoga. Pranayama kann übersetzt werden als das Kontrollieren oder Lenken der Lebensenergie (Prana) über die Atmung.

Unsere Atmung geschieht automatisch. Denn unser natürlicher Atemreflex sorgt dafür, dass wir kontinuierlich ein- und ausatmen, ohne dass wir das bewusst steuern müssen. Hierfür ist das autonome Nervensystem verantwortlich, also der Teil, der alle unbewussten Prozesse im Körper kontrolliert. Spannend ist, dass sich unser Atem durch verschiedene Einflüsse verändert. Sind wir beispielsweise gestresst, haben Angst oder sind sehr aktiv, so beschleunigt sich der Atem. Wohingegen er bei einem Gefühl von Entspannung eher ruhig ist.

Die schnelle Atmung, welche bei erhöhter Aktivität auftritt, ist auch mit der Aktivität des Teil unseres autonomen Nervensystems verbunden, welcher für erhöhte Wachheit, Handlungsfähigkeit und Aktivität zuständig ist. Der sogenannte Sympathikus. Eine ruhige Atmung ist dabei mit dem Gegenspieler verbunden: Dem Parasympathikus, der Teil des Nervensystems, welcher für Ruhe und Regeneration zuständig ist. Dabei streben wir immer nach einem Gleichgewicht zwischen diesen beiden Komponenten. So wie wir im Yoga von dem Ausgleich zwischen Yin und Yang sprechen, lässt sich dies auch hier auf neuronaler Ebene wiederfinden. ein Ausgleich aus An- und Entspannung, Aktivität und Ruhe.

Aber warum ist das wichtig, um Kapalabhati zu verstehen?

Die Atmung erfolgt automatisch und spiegelt oft wider wie ent- oder angespannt wir sind. Doch ebenso können wir die Wirkrichtung auch umdrehen! Wenn wir unsere Atmung durch Pranayama kontrollieren, können wir mehr Aktivität oder Ruhe in unserem Körper und Gemüt erzeugen. Ein wahres Wundermittel oder nicht?

Dabei unterschieden wir zwei Formen des Pranayama:

  1. Pranayama welches durch langsame Atmung zur Entspannung führt (Parasympathische Aktivität)
  2. Pranayama welches durch schnelle Atmung zur Aktivität führt (Sympathische Aktivität)

Kapalabhati gehört zur zweiten Form von Pranayama, mit der wir mehr Aktivität in den Körper bringen wollen. Und das tun wir, indem wir aktiv, stoßartig und in einem schnellem Rhythmus ausatmen. Das heißt, wir forcieren die Ausatmung und atmen danach ganz unkontrolliert und passiv wieder ein. Die stoßartige Ausatmung durch unsere Nase wird durch das Kontrahieren unserer unteren Bauchmuskulatur erzeugt. Hierbei drücken unsere inneren Organe gegen das Zwerchfell, was zu der kräftigen Ausatmung führt.

Schritt für Schritt Kapalabhati Anleitung

Du sitzt in einer aufrechten Position (z.B. Schneider- oder Lotussitz) und übst vor dem Beginn ein paar Runden der tiefen Bauchatmung aus. Danach beginnt die erste Runde Kapalabhati. Du beginnst mit circa 20 Atemstößen, unterstützt durch die Kontraktion deines unteren Bauches. Das Tempo ist dabei zügiger als normal mit ungefähr einem Atemzug pro Sekunde. Natürlich variiert das mit der Erfahrung – mach am Anfang gerne erstmal langsamer!

Um Dich selbst bei der Ausführung zu überprüfen, kannst Du eine Hand auf Deinen Bauchraum und eine auf Dein Herz legen. Vor allem die untere Hand sollte sich rhythmisch durch das Kontrahieren des Bauches bewegen. Die obere bewegt sich kaum. Bei jedem Ausatmen ziehst du also aktiv deinen Bauch heran und lässt ihn danach wieder locker, wodurch die Einatmung automatisch folgt. Je nach Erfahrung können mehr Runden geübt und diese auch verlängert oder das Tempo erhöht werden. Wichtig ist jedoch, auf deinen Körper zu achten. Solltest Du Schwindel empfinden, dann höre direkt auf und atme normal weiter. Auch sollte das Pranayama aufgrund der Intensität von Schwangeren nicht geübt werden. Sollte das alles jetzt noch ganz neu für dich sein, dann lohnt es sich zunächst unter Anleitung eines/einer Yogalehrer:in zu üben, um die Ausführung korrekt zu erlernen.

Doch wofür machen wir das nun alles? Was genau sind diese Effekte, die Yog:inis dazu veranlassen, immer wieder in diese Form der Atmung zu kommen?

Auswirkungen auf unseren Körper

Der Atem bringt Leben in unseren Körper. Mit jeder Einatmung nehmen wir Sauerstoff auf, den unsere Zellen benötigen, um arbeiten zu können. Gleichzeitig dient die Ausatmung dazu, alte Abbauprodukte und toxische Stoffe wieder aus dem Körper abzutransportieren. So stellt unser Atemsystem, insbesondere die Ausatmung, ein großes Reinigungsorgan für den gesamten Körper dar. Im Alltag neigen wir oft dazu, kurzatmig durchs Leben zu wandern. Gerade wenn wir uns unserer Atmung nicht bewusst sind, kommt vor allem die Ausatmung “zu kurz”. Mittels der Atemkontrolle innerhalb des Pranayamas verlängern wir so häufig vor allem die Ausatmung, sodass der Reinigungsprozess seine volle Wirkung entfalten kann. Im Kapalabhati wird die Ausatmung zwar nicht direkt verlängert, jedoch stark intensiviert und die Frequenz erhöht, wodurch der Körper so insbesondere von Kohlenstoffdioxid und weiteren Abfallprodukten gereinigt wird.

Auf neuronaler Ebene bewirkt dieser aktive Atem auch eine erhöhte Aktivität des Nervensystems (vgl. Malhotra et al., 2022). Genauer gesagt des Sympathikus. Dieser sorgt dann dafür, dass unser gesamtes System hochfährt. So fühlen wir uns aktiver und lebendiger.

Doch eigentlich sind wir gerade in unserer westlichen Leistungsgesellschaft ohnehin oft besonders aktiv oder eher gesagt gestresst und unser Körper steht unter Dauerstrom. Kurz gesagt: der Sympathikus ist schon recht häufig aktiv. Warum sollten wir ihn also noch mehr aktivieren?

Wie auch beim Sport fahren wir unser System durch Kapalabhati für den Moment hoch. Die Herzrate steigt, die Atmung kann sich erhöhen etc.. Doch gerade danach fällt uns die Entspannung leichter. Wir trainieren unseren Körper, unser Herz-Kreislaufsystem und unseren Atemrhythmus, sodass wir nach und nach auch auf Belastung entspannter reagieren können. Aus Studien geht dabei hervor, dass die Herzrate und die sympathische Aktivität zwar während Kapalabhati steigt, jedoch danach niedriger ist als zuvor. Der Parasympathikus wird also langfristig aktiviert und Entspannung kann nachhaltig eintreten. So nähern wir uns mehr und mehr der berühmten Balance zwischen An- und Entspannung an.

Auswirkungen auf unseren Geist

Atmen, bis der Kopf beginnt zu leuchten. Ziemlich große Worte, oder nicht? Doch tatsächlich scheint die Konzentration durch das Praktizieren von Kapalabhati zu steigen (vgl. Gupta et al., 2015). Der Blutfluss im Körper und so auch im Gehirn wird erhöht. Hier werden besonders Regionen des Gehirns mit mehr Blut und somit Energie versorgt, die für kognitive Prozesse wie Denken, Erinnern und auch zum Lösen von Problemen relevant sind. So weist die Forschung tatsächlich darauf hin, dass wir einen klareren Geist eratmen und die symbolische “Glühbirne” über unseren Kopf zum Leuchten bringen können.

Auswirkungen auf feinstofflicher Ebene

Doch was wäre ein Pranayama ohne Auswirkung auf unseren Pranayama Kosha (Energiekörper)? Auch diesbezüglich wird deutlich, warum es sich um eine Kriya handelt. Denn nicht nur der physische, sondern auch unser feinstofflicher Körper, die Nadis (Energiekanäle) und Chakren (Energiezentren) sollen gereinigt werden. Der Pranafluss wird durch die starke Atmung erhöht und so soll das Prana mit erhöhtem Druck durch unser Energiesystem befördert werden.

Auch das oft verwendete Synonym des Feueratems findet seinen Ursprung in dieser Kategorie. Durch die starke Ausatmung und zugleich die Kontraktion des Bauchraumes wird das Chakra unserer Körpermitte angesprochen. Hierbei handelt es sich um unser Manipura Chakra, was passend für das Element des Feuers steht. Gleichzeitig wird dieses Energiezentrum als Sitz unserer Motivation und des Selbstbewusstseins bezeichnet, sodass es nicht verwundert, dass die Atmung so einen energetisierenden Effekt auf unsere Stimmung hat. Wir entflammen also unser inneres Feuer (Agni) mit jedem Atemzug und bringen Wärme, frische Energie und Motivation in uns. 

Einige Gründe, um jetzt nach der ganzen Theorie in die Praxis zu kommen und somit der kalten Jahreszeit etwas entgegenzuwirken, oder nicht? Eine gute Möglichkeit dafür ist zum Beispiel unser Kundalini Yoga Basics Workshop.

 

Quellen

Gupta, R. K., Telles, S., & Balkrishna, A. (2015). A Review Article on Kapalabhati Pranayama.(Pages 51-53). National.

Malhotra, V., Javed, D., Wakode, S., Bharshankar, R., Soni, N., & Porter, P. K. (2022). Study of immediate neurological and autonomic changes during kapalbhati pranayama in yoga practitioners. Journal of Family Medicine and Primary Care, 11(2), 720.

Ansari, R. M. (2016). Kapalabhati pranayama: An answer to modern day polycystic ovarian syndrome and coexisting metabolic syndrome?. International journal of yoga, 9(2), 163.