Lara Steinfeldt

Yoga im innen und Außen

Veröffentlicht von Lara Steinfeldt | 5. August 2024

Kundalini yoga in Aachen

Yoga im Innen und Außen 

Yamas und Niyamas: Yoga als bewusster Umgang mit uns selbst und anderen 

Yoga – mehr als die Asanapraxis auf der Matte 

Was steckt eigentlich noch alles hinter diesem kleinen Wort „Yoga“? Und welche Rolle spielen die Yamas und Niyamas dabei Yoga in unseren Alltag einfließen zulassen? In diesem Blogartikel erfährst Du mehr über den Einfluss von Yoga für einen bewussten Umgang zwischen uns selbst und anderen und wie wir diesen in und außerhalb unserer Praxis präsent halten.

Sprechen wir davon, dass wir Yoga üben, so denken wir wahrscheinlich zuerst an die körperliche Praxis. Das Einnehmen verschiedener Haltungen (Asanas) zur Dehnung und Stärkung unseres Körpers. Dazu assoziieren wir oft noch Pranayama (Atemtechniken zur Lenkung unseres Pranas/Lebensenergie) und Meditation. Kurzgefasst ist unser Bild von Yoga fest an einen Ort bzw. einen Zeitraum gebunden. Das Yogastudio, die Matte zu Hause und die kleine Auszeit vom Alltag. Doch Yoga bedeutet mehr als Bewegung, Atmung und Meditation auf unserer Matte. Es ist eine ganze Philosophie – eine komplette Weltanschauung, die sich hinter diesem kleinen Wort verbirgt. Und wahrscheinlich werden viele von euch zustimmen, dass sich eine regelmäßige Praxis auch auf das Leben außerhalb unserer Matte auswirkt und unsere Sicht auf uns und unsere Umwelt maßgeblich verändern kann.

So bedeutet Yoga, sich nicht nur mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen, sondern auch und das nicht zu gering, mit unseren Gedanken, Gefühlen und Verhalten. Damit, wie wir der Welt und uns selbst begegnen. Es geht darum, selbstbewusst zu handeln sowohl auf der Yogamatte als auch im Alltag. Yoga als ein Lebensweg.

Yogisch leben – Yoga als Lebensphilosophie und Wertesystem 

Yoga ist mehr als Bewegung und Atmung. Yoga ist eine Lebensphilosophie. „Wie begegne ich dem Leben? Wie begegne ich mir selbst? Und welche Werte sind grundlegend für mein Denken, Fühlen und Handeln?“ All das sind Fragen, die wir uns auf dem Weg des Yogas stellen und welche Auswirkungen weit über unsere Yogamatte reichen. Das, was wir in unserer bewussten Yogapraxis üben, ist also ein Spiegel für unser Verhalten, unseren Umgang im Alltag mit uns selbst und unserer Umwelt. Das Bewusstsein, welches wir in Atmung und Bewegung in der Yogastunde üben. Die Klarheit und Ruhe, das Beobachten unserer Gedanken und Erkennen, dass wir mehr sind als diese. All das können wir übertragen auf unser Leben, welches uns nach der Matte erwartet. Den Situationen mit einer neutraleren Sicht begegnen, Ruhe bewahren und bewusst wahrnehmen, was in und um uns passiert, um so zu handeln, dass wir ihnen wohlwollend begegnen. 
 
So begegnen wir auf dem Yogaweg unserem Innern, lernen uns selbst kennen und das Leben im Innen und Außen wertzuschätzen und voller Dankbarkeit und Offenheit zu begegnen.

Patanjali und der 8-gliedrige Pfad des Yoga 

Das Wort „Yoga“ wird dabei als „Einheit“ übersetzt. Einheit zwischen Innen und Außen, zwischen Körper, Geist und Seele. Eine Verbundenheit auf den verschiedenen Ebenen des Seins.

Der Yogi Patanjali, entwickelte ca. 300 v. Chr. einen Leitfaden, welcher uns auch noch in der heutigen Zeit zu einem bewussteren Leben verhelfen kann. Dabei beschreibt er in seinem Yogasutra Yoga als den Zustand, des zur Ruhebringens der Gedanken. Durch die Ruhe im Geist sollen wir uns über unsere wahre Natur, unabhängig unseres ständig strömenden Gedankenkarussells, bewusst werden. Auf diesem Weg begleiten uns laut Patanjali acht verschiedene Aspekte des Yogas, wir sprechen also vom berühmten 8-gliedrigen Pfad des Yogas. Und auch hier sind natürlich Asana, Pranayama und Meditation (Dhyana) enthalten. Beginnen tut der Pfad jedoch mit der Praxis außerhalb unserer Matte. Mit den Yamas und Niyamas, den 10 Verhaltens”geboten“ für unser ganz normales, alltägliches Leben. Sie verhelfen uns dabei, unser Erleben und Verhalten zu reflektieren und auf das Leben im Innen und Außen Acht zu geben. Sowohl auf körperlicher, geistiger als auch seelischer Ebene. 
 
So geht es darum, dem Leben mit einer Klarheit und Offenheit zu begegnen, um tiefere Ebenen unseres Seins zu erfahren – um der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Yoga, dem Gefühl des Einsseins und der Harmonie zwischen Innen und Außen, näherzukommen. 

Die Yamas

„Was Du nicht willst, dass man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu.“ oder positiv formuliert „Behandle andere so, wie Du selbst behandelt werden möchtest“. Nach diesem Prinzip richten sich die Yamas aus. Es geht also darum, wie wir unserer Umwelt entgegentreten, um den Umgang zwischen uns und anderen. 
 
Dabei gibt es 5 „Regeln“ oder eher Richtlinien, die im Einklang mit den Werten der Gleichwertigkeit und Verbundenheit von allen Wesen im Yoga stehen. 

1. Ahimsa – Gewaltlosigkeit oder auch Freundlichkeit

Es geht um einen friedlichen Umgang mit dem Außen darum, keinen Schaden zuzufügen, nicht zu verletzen und der Welt mit einem offenen Blick voller Freundlichkeit und Wohlwollen zu begegnen. Ahimsa stellt so vor allem in Situationen, in denen uns alles über den Kopf wächst und wir gestresst sind, eine ziemliche Herausforderung dar. Auch in diesen Momenten wohlwollend zu handeln und zu sprechen fällt uns oft um einiges schwerer als in Zeiten, in denen wir uns sowieso schon richtig gut fühlen. Doch gerade dann, lässt sich Ahimsa am besten üben und ein Lächeln als Antwort auf unser Verhalten die Stimmung vielleicht direkt wieder etwas besser werden. 

2. Satya – Wahrhaftigkeit 

Satya kann ebenfalls als „nicht lügen“ übersetzt werden. Es bedeutet, seine eigene Wahrheit auszusprechen und nach ihr zu handeln. Es beinhaltet also vor allem ein in sich selbst hineinfühlen, um sich bewusst zu werden, was eigentlich meine eigene Wahrheit ist. Was sind meine Grenzen und wo gehe ich über sie hinaus, nur um niemandem vor den Kopf zu stoßen? Es dreht sich also nicht nur darum, offensichtliche Lügen zu vermeiden, sondern vielmehr aus einem Selbstbewusstsein über unsere Gedanken und Gefühle zu handeln und offen mitzuteilen. 

3. Asteya – Begierdelosigkeit 

Begierdelosigkeit oder auch das nicht stehlen stehen hier im Fokus. Unserer Umwelt weder materielles und geistiges Gut noch Zeit zu stehlen oder zu beneiden. Dabei bedeutet Asteya, sich immer wieder auf unser Inneres zu fokussieren und zu sehen, was wir in uns schon haben, um uns aus dieser Perspektive die Frage zu stellen, was zusätzlich wirklich noch notwendig ist. 
 

4. Bramacharya – Enthaltsamkeit 

Bei der Enthaltsamkeit geht es nicht darum, allen sinnlichen Genüssen des Lebens nun zu entsagen. Auch wenn dieses Yama ursprünglich mit der sexuellen Enthaltsamkeit übersetzt wurde, kann Bramacharya deutlich sanfter und alltagsnaher ausgelegt werden. So bedeutet dieser Leitsatz, uns unserer Bedürfnisse bewusst zu sein und sie bewusst und achtsam zu erfüllen. Nicht im Übermaß zu leben und uns auf das zu fokussieren, was es grade wirklich braucht, damit es uns auf körperlicher, geistiger sowie seelischer Ebene gut geht. Grade in unserer modernen Welt neigen wir dazu unser Wohlbefinden stark von äußerlichen Reizen, wie Essen, Kleidung, Autos etc. zu regulieren. Aber Hand aufs Herz: meistens fühlen wir uns danach kurz besser, doch für eine langfristige Veränderung hilft es uns oft nicht wirklich. Bramacharya bedeutet also auch nur so viel zu nehmen und zu konsumieren, wie wir für uns und hier besonders unserer Umwelt zuliebe brauchen.

5. Aparigraha – keine Anhaftung

Sein ohne Anhaftung. Dieses Yama beschreibt das Streben danach, loslassen zu können. So soll unser Besitz an materiellen sowie nicht materiellen Dingen unseren Wert nicht verändern. Es ist die Fähigkeit, mit dem zufrieden zu sein, was wir sind, und nicht damit, was wir haben. Auch hier bedeutet es jedoch nicht, dass wir uns nun von allem Besitz verabschieden und keine bedeutenden Beziehungen mehr führen sollten. Vielmehr kann es die Dankbarkeit und Wertschätzung demgegenüber sein, mit dem Wissen, dass all das, was wir haben, nicht selbstverständlich ist. Es sich jederzeit ändern kann, aber unser eigener Wert sowie der der anderen dadurch nicht vermindert wird.

Die Niyamas 

Die Niyamas beschreiben hingegen Verhaltensrichtlinien im Umgang mit uns selbst. Hierbei soll wieder mal ein Gleichgewicht herrschen. Unter dem Motto „behandle Dich selbst wie Deinen besten Freund“ geht es darum, auf uns geduldig und liebevoll Acht zu geben und somit im Innen sowie im Außen einen wertschätzenden Umgang zu pflegen. Dabei beziehen sich die Niyamas sowohl auf den Umgang mit uns auf körperlicher, geistiger als auch seelischer Ebene.

1. Saucha – Reinheit

Die Reinheit im Körper, im Geist und im Herzen. „Halte Dein Zuhause sauber“, ist der Leitsatz dieses Niyamas. Denn so wie wir unser Heim pflegen, sollten wir auch unseren Körper behandeln. Dazu gehören hier natürlich die Yogapraxis aber auch gesunde Nahrung, genügend Wasser, Bewegung sowie die Pflege des Körpers von Außen und Innen. Doch Saucha bedeutet ebenso, unsere Gedanken reinzuhalten – negatives Denken zu identifizieren, liebevoll zu reflektieren und umzulenken. Uns selbst mit einem offenen Herzen zu begegnen, um uns bewusst und gütig gegenüberzutreten.

2. Santosha – Zufriedenheit

Santosha ist die Dankbarkeit für das, was wir haben, oder besser gesagt, für das, was wir sind. Zufrieden damit zu sein, was uns das Leben geschenkt hat und anzuerkennen, dass wir genug sind. Selten machen wir heutzutage Pause, ruhen uns aus, da wir denken, „es ist genug, einfach nur hier zu sein.“ Wir streben nach mehr, definieren uns über unsere Leistung und unseren Besitz. Santosha erinnert uns daran, dass wir genug sind, genauso wie wir hier zur Welt gekommen sind. Dass das, was wir mit bestem Gewissen tun, ausreicht und wir uns nicht ständig vergleichen müssen.

3. Tapas – stetiges Bemühen, Eifer

Tapas könnte auf den ersten Blick gegensätzlich zu Santosha interpretiert werden. Es geht hier, um das stetige Bemühen, unserem wahren Selbst nah zu kommen. Darum, in unsere Kraft und Verantwortung zu treten und Ziele zu erreichen. Das bedeutet jedoch nicht, sich nun dauerhaft auf das Gaspedal zu stellen und nur noch Leistung zu erbringen. Vielmehr geht es darum, zu erkennen, dass wir Verantwortung für unser Leben haben und es so aus eigener Kraft lenken können. So wirkt es gegen das Gefühl der Hilflosigkeit, des Gefangenseins in Entscheidungen von außen, und regt uns an, uns unseren eigenen Wünschen und Bedürfnissen bewusst zu sein und diese zu verfolgen. Traditionell wird dieses Yama im weiteren Sinne interpretiert als das Streben nach der Verbindung zu dem göttlichen in uns. Sodass unser Handeln auf das größere Ziel, der Erfahrung des „Einsseins“, ausgerichtet wird.

4. Svadhyaya – Selbstreflexion, Erforschung des Selbst

Lausche der Stimme tief in Dir.“ Dieser Satz spielt auf das vierte Niyama Svadhyaya an. Es bedeutet, immer wieder nach innen zu horchen, Deine Gedanken sowie Dein Verhalten zu beobachten, zu reflektieren und versuchen, es zu verstehen. Aus dieser inneren Klarheit kannst Du schließlich nach Außen treten und bewusst mit Deiner Umwelt interagieren. Svadhyaya darf dabei unser täglicher Begleiter sein, wie ein Gespräch, das wir mit uns selbst führen. „Wie geht es mir heute? Welches Gefühl nehme ich grade wahr? Was bewegt mich dazu, so oder so zu handeln?“ So motiviert uns das Niyama, uns stetig offen zu begegnen und immer wieder aufs Neue kennenzulernen.

5. Ishvara Pranidana – Hingabe zu Gott, Vertrauen in eine höhere Kraft

Dieses Niyama bezieht sich auf Deinen eigenen persönlichen Glauben, welcher nicht nur Deine Yogapraxis auf der Matte, sondern Dein gesamtes Leben durchzieht. Dabei muss sich dieser Glaube nicht an den Begriff „Gott“ heften. Vielmehr ist hiermit die uns umgebende, durchdringende und miteinander verbindende Kraft gemeint. Mögen wir sie Gott, Liebe, Universum oder wie auch immer nennen. Es geht darum, Dich jeden Tag aufs Neue auf Deinen tieferen Glauben hinter unserem Dasein auszurichten. Dich daran zu erinnern, dass diese höhere Kraft nicht abgetrennt von Dir im Außen existiert, sondern in jedem von uns ihr Zuhause hat. Dabei zielt Ishvara Pranidana darauf ab, all unser Handeln und unsere Taten voller Hingabe und aus reinstem Herzen zu dieser Kraft, also auch zu uns selbst auszuführen. Sodass wir erneut daran erinnert werden, uns selbst zu behandeln wie unsere beste Freundin und uns an die Verbundenheit zwischen Innen und Außen zu erinnern.

Zwar teilen wir diese 10 Verhaltensrichtlinien in zwei Kategorien ein, doch wird schnell deutlich, dass es hier keine klare Trennlinie zwischen Innen und Außen gibt. Ein achtsames und liebevolles Verhalten uns gegenüber ist eine Voraussetzung, um auch reinsten Herzens so mit dem Außen umzugehen und umgekehrt. So finden wir die tiefe Bedeutung des Yogas „der Einheit“ hier wieder. Wir tun nie etwas nur für uns oder nur für andere. Unser Verhalten wirkt sich immer auf das ganze Feld in und um uns herum aus. So verhelfen uns die (Ni)Yamas dabei, dem Gefühl der Einheit wieder näherzukommen und Yoga als mehr zu erkennen als bloße Asanapraxis. Yoga als Lebensphilosophie, Yoga als Weg zu uns selbst.