Yoga als Prävention
Veröffentlicht von Johanna Dorn | 5. Dezember 2019
Ich möchte mit der Frage beginnen, wann wir Menschen vergessen haben, unseren Körper als Wunderwerk zu sehen und ihn nur noch als zweckmäßig betrachten? Häufig kommen Menschen zu mir in die Praxis für Allgemeinmedizin und ärgern sich darüber, dass der Körper nicht mehr mitspielt, krankt oder versagt. Sie sind überrascht, dass nach einiger Zeit Beschwerden auftreten, die vorher nicht da gewesen sind. Oder sie sind verwundert, dass die Leistungsfähigkeit abnimmt oder sogar Krankheit entsteht. Leider spüren wir unseren Körper mittlerweile oft nur noch, wenn wir Schmerzen haben, die Gelenke weh tun, wir Verdauungsbeschwerden, Kopfschmerzen oder andere Einschränkungen haben. Doch Eine achtsame Lebensweise kann uns helfen unseren Körper wieder besser wahrzunehmen. Und auch Yoga kann als Prävention dienen.
Unser Körper ist ein Wunderwerk!
Nur selten machen wir uns bewusst, was alltäglich in uns passiert. Sekündlich laufen so viele Prozesse gleichzeitig ab, dass uns diese Komplexität schnell ins Staunen bringen kann. Angefangen von abertausenden biochemischen Prozessen, die ein Gleichgewicht (Homöostase) im Körper erhalten, über neurobiologische und kognitive Abläufe sowie die Möglichkeit unseren Körper in der Art, wie wir das wollen, zu bewegen. Oder auch Emotionen fühlen zu können und Gedanken zu kreieren. Oft machen wir es uns zu schwer, den Körper als Wunderwerk im Kleinen und Großen zu verstehen!
Natürlich ist Yoga schon lange Trend. Jeder von uns kennt die wunderschönen und herausfordernden Asanas auf Instagram, die von hübschen Menschen vor traumhafter Kulisse gezeigt werden. Aber wenn man hinter das Instagram-Foto und hinter das Wort Yoga schaut, entdeckt man nicht nur Körperübungen. Es ist viel mehr eine grundsätzliche bewusste Einstellung zur Welt, zum Dasein und zum eigenen Körper. Das Wort „Yoga“ kommt aus dem Sanskrit und heißt übersetzt ‚zusammenfügen‘. Yoga ist ein gutes Werkzeug um Körper und Geist wieder zusammen zu „jochen“ und Einigkeit zu schaffen. Yoga ist auch ein komplexes philosophisches Konzept mit Körper-, Geist- und Atemarbeit. Damit ist Yoga eine tagtägliche Übung und Wertschätzung für unseren Körper und unser Sein.
Sitzen ist das neue Rauchen
Laut einem Artikel im Deutschen Ärzteblatt ist das Sterberisiko bei Bewegungsmangel und einer sitzenden Tätigkeit von über acht Stunden am Tag um 80% erhöht. Das bedeutet, dass jeder Mensch, der mit dem Auto zur Arbeit fährt, dort acht Stunden Büroarbeit erledigt, um dann wieder nach Hause zu fahren und völlig erschöpft auf die Couch zu fallen, nicht nur ein nachgewiesen erhöhtes Sterberisiko hat. Darüber hinaus erlebt er das Leben, was ihm geschenkt wurde, meist ausgelaugt und körperlich sowie emotional erschöpft. Sportlicher Ausgleich ist in so einer Lebensart oft vernachlässigt. Dabei reduziert laut WHO schon eine Viertelstunde Bewegung am Tag das Risiko um 14%. Eine Kombination aus Krafttraining und regelmäßigen Ausdauersport gilt als optimal. Denn der Mensch ist ursprünglich auf Bewegung programmiert! Mindestens fünf Stunden pro Woche sind bei einer sitzenden Tätigkeit von acht Stunden am Tag notwendig, um das kardiovaskuläre Risiko wieder zu reduzieren.
Bewegung ist oft die beste Medizin
Letztendlich ist Bewegung auch die beste Anti-Aging Medizin. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass durch regelmäßige körperliche Bewegung (3 mal 45 Minuten in der Woche) das Enzym Telomerase aktiviert wird. Dieses Enzym verlängert die Telomere, also unsere Enden der Chromosomen, und dadurch altert die Zelle langsamer. Weiterhin weiß man, dass das Immunsystem durch die regelmäßige Bewegung gestärkt wird und man weniger anfällig für Infekte oder chronische Erkrankungen ist. Selbst als Prävention und auch als Therapie bei 13 verschiedenen Krebsarten wurde gezeigt, dass die Entwicklung von bösartigem Gewebe durch eine sehr regelmäßig aktive körperliche Tätigkeit um 42% verringert wurde. Ist das nicht der Wahnsinn? Außerdem hilft Bewegung – wie beispielsweise im Yoga – als Prävention vor Demenz und ist das beste Antidepressivum, was ich regelmäßig empfehle.
Yoga als Prävention
Das Gute an dem Trend Yoga mit all den verschiedenen Einflüssen ist also, dass Yoga die Menschen auf allen Kontinenten bewegt – und das nicht nur körperlich. Auch emotional kommen die Gemüter in Bewegung und man macht sich auf den Weg, aus den Gedankenkreisen zu entkommen und neue Pfade auszuprobieren. Dies ist ein weiterer Vorteil, denn schon ein bisschen Bewegung lässt unsere Gehirnzellen sprießen und verbessert unsere Merk- und Lernfähigkeit. Also auch wenn wir vor Probleme gestellt sind, Streit haben oder noch keine Lösung für etwas gefunden haben, hilft Bewegung. Durch eine verbesserte Durchblutung, angeregte Hormone und die Stimulation des Belohungssystems fließt auch die Kreativität – Lösungen und Gedanken kommen und fügen sich perfekt ein. So wirkt Yoga als Prävention – ganz egal ob wir im Studio, zu Hause oder im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung im Unternehmen üben.
Entspannung finden in Atem – und Meditationsübungen: Yoga fördert Balance
Es zeigt sich auch in Studien aus 2016-2017, dass sich Yoga positiv bei arterieller Hypertonie (Bluthochdruck) auswirken kann. Diese Erkrankung bleibt ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem, denn mit langjährig erhöhten Blutdruckwerten verändern sich alle Blutgefäße. Diese verkalken mit der Zeit, was besonders häufig zu Erkrankungen im Gehirn, am Herzen und an den Extremitäten führt. Internationale medizinische Leitlinien empfehlen bei der Erstdiagnose zuallererst Lebensstilveränderungen wie körperliche Aktivität und Stressmanagement. Oft ist die Bereitschaft des Betroffenen das eigene Leben (mit initial etwas mehr Aufwand) gesundheitsförderlich zu verändern jedoch sehr gering. Weshalb ärztliche Kollegen schnell zur medikamentösen Therapie greifen.
Yoga ist nicht nur eine Sportart
Yoga kann aber auch im oben beschriebenen Fall neben den bereits genannten Gründen eine gute Inspiration und ergänzende Intervention sein. Es ist eben nicht nur eine Sportart, sondern fördert durch Pranayama und Meditation auch eine stärkere Resilienz und Entspannung. Durch verschiedene Atemtechniken und auch Meditationsübungen setzen wir den Fokus gezielt auf andere Aspekte im Körper. Dabei zählt nicht nur das Auspowern, nicht nur die Leistungsfähigkeit, nicht nur das Trainieren der Muskulatur, sondern es geht auch darum, immer wieder zurück zu Balance und Ruhe zu finden. Eine Yoga-Stunde ist meist so aufgebaut, dass es mit einer Atemübung oder einem entspannten Warm-up beginnt. Im Verlauf nimmt die Intensität und körperliche Anstrengung zu. Auch das Schwitzen ist gesundheitsförderlich und notwendig für das spätere Loslassen.
Am Ende kommt der Körper wieder zur Ruhe und ein wunderbares Gefühl legt sich in Shavasana, der Endentspannung, über den ganzen Körper und Geist.
„Namaste“ – Yoga ist Gemeinschaft
In der heutigen Zeit ist Vereinsamung und sozialer Rückzug ein großer Risikofaktor für körperliche und psychische Krankheitsbilder. Die Isolation in der sich viele befinden, kann sich auf vielen verschiedenen Ebenen negativ auswirken. Es ist natürlich erholsam, mal Zeit für sich zu haben, sich zu spüren und zu reflektieren. Aber eine ungewollte Einsamkeit schädigt uns auf Dauer, fördert Depressionen, Burn-out, Kraft – und Energielosigkeit, Stress und psychosomatische Krankheiten. Auch hier kann Yoga helfen. Im Schutz der Yogastunde kann sich jeder erfahren, Asanas ausprobieren, Grenzen testen und so sein, wie er ist.
Auch das ist Teil des Yoga: Namaste bedeutet, dass wir einander sehen und das Licht des anderen wertschätzen.
Johanna Dorn ist 200h Yogalehrerin und Fachärztin für Allgemeinmedizin. Unter dem Namen Dorn Healthconsulting berät sie Privatpersonen und Unternehmen ganzheitlich in allen Gesundheitsthemen.