Yogalehrer als Yogaschüler im Studio
Veröffentlicht von Daniela Beran | 22. September 2021
Jeder Yogaweg ist vollkommen individuell. Ganz gleich ob Du YogalehrerIn wirst oder nicht – die eigene Yogapraxis unterliegt einem ständigen Wandel. Einflussfaktoren auf diesem Weg sind beispielsweise das Alter in welchem man mit Yoga beginnt sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen. Außerdem spielen die eigene geistige Haltung, das soziale Umfeld und die Erfahrungen, die man mit Yoga über die Zeit sammelt, eine große Rolle. Und nicht zuletzt beeinflussen uns auch das Umfeld in dem und die Menschen mit denen wir üben. Daher möchte ich in diesem beitrag der Frage nachgehen, welchen Einfluss Yogalehrerinnen und Yogalehrer als Yogaschülerinnen und Yogaschüler in einer offenen Klasse haben.
Kannst Du Dich noch an Deine erste Yogaklasse erinnern?
Mein Weg als Schülerin hat mit offenen Klassen in einem Fitnessstudio in meiner Heimat begonnen. In dieser Zeit habe ich mich für das Abitur vorbereitet und in der Yogapraxis eine Steigerung meiner Konzentration und Entspannung wahrnehmen können. Diese Erfahrung hat mich so sehr beeindruckt, dass ich auch weiterhin Yoga üben wollte. Doch während des Studiums folgten Zeitmangel, Stress und einige eher weniger gute Yogaklassen. Wer kennt es nicht?
Ein paar Jahre später habe ich über das Yoga Individual erstmals herausgefunden, dass es Studios gibt, die ausschließlich Yogakurse anbieten. Ich entschied mich Yoga eine neue Chance zu geben. Schon in der ersten Stunde habe ich eine ganz neue Magie von Yoga kennengelernt, die mich faszinierte und motivierte.
YogalehrerInnen als YogaschülerInnen – eine Selbstreflexion
Als Schülerin habe ich mich selbst immer gefragt, wie die Yogapraxis der LehrerInnen wohl aussehen mag. In meinem Kopf stellte ich mir vor wie er oder sie die verrücktesten Positionen und Atemübungen sowie stundenlang Mediation übt. Ehrlich gesprochen schreckte mich diese Vorstellung etwas ab. Ich hatte Gedanken wie: „Das ist nichts für mich“, „Dafür fehlt mir sicher die Disziplin“ oder „Woher soll ich denn wissen, was ich zuhause auf meiner Matte tun soll?!“. Erst später fand ich heraus, dass dieses Wissen, was man auf der Yogamatte tun soll, bereits im Inneren eines jeden von uns vorhanden ist.
Eines Tages fand ich in einer offenen Klasse im Yogastudio eine der im Studio unterrichtenden Lehrerinnen neben mir auf der Matte. Direkt fühlte ich mich auf eine ganz ungewohnte Weise beobachtet und als wollte ich mich beweisen. Während der Klasse habe ich die Lehrerin neben mir beobachtet und war von der Art wie sie sich bewegte und wie sehr die Atmung im Einklang mit der Bewegung stand sehr fasziniert. „Das werde ich nie können“ – wiederholten sich meine vergleichenden Gedanken.
Mit fortwährender Yogapraxis und dem wiederkehrenden Erlebnis Yogalehrer als Yogaschüler auf der Matte zu sehen, konnte ich von meinen vergleichenden und bewertenden Gefühlen und Gedanken Abstand nehmen. Stattdessen habe ich gelernt den Fokus während der Klasse auf mich und meinen Körper zu legen. Ich habe erkannt, dass ich mich nicht schlecht fühlen muss, nur weil ich manche Asanas nicht ausführen kann oder sie bei mir ganz anders aussehen. In meiner später folgenden Yogalehrerausbildung habe ich verinnerlicht, dass jeder Körper ganz individuell ist und es nicht auf die äußere Erscheinung einer Asana ankommt, sondern vielmehr auf die innere Wirkung der Haltung im Körper.
Wie geht es Dir mit YogalehrerInnen neben Dir in einer Yogaklasse?
An der Tatsache, dass ich gerne als Schülerin auf die Matte gehe und eine angeführte Praxis sehr wertschätze, hat sich bis heute nichts geändert. Mittlerweile unterrichte und besuche ich Yogakurse in ein und demselben Studio. Auch mich treffen die Blicke der SchülerInnen, wenn sie mich neben sich auf ihrer Matte im Kursraum finden. Womöglich haben sie ähnliche Gefühle und Gedanken wie ich ein paar Monate zuvor. Doch auch LehrerInnen bleiben für immer SchülerInnen. Wer als YogalehrerIn der Meinung ist, schon alles zu kennen und zu wissen, sollte meinen Blogbeitrag zu den 9 Hindernissen auf dem Yogaweg als Inspiration nutzen. Denn Yoga ist nichts, was man einmal lernt und dann kann. Vielmehr ist die individuelle Yogapraxis eines jeden Menschen ein nie endender Prozess im stetigen Wandel der Zeit. Sie wird beeinflusst durch die am Anfang des Artikels genannten Einflussfaktoren.
Meiner Meinung nach ist die Präsenz von YogalehrerInnen als Teilnehmende die beste Schule für alle Beteiligten. Denn es kommt stets auf die Intention an, mit der wir Yoga üben – ob LehrerIn oder nicht. Sobald ich eine Klasse als Schülerin übe, verbanne ich die innere Lehrerin in meinem Kopf. Ich bin ich bei meinem Körper und meiner Praxis. Auch ich habe meine starken und schwachen Seiten, gute und schlechte Tage sowie unliebsame Positionen oder Haltungsgruppen. Vergleiche und Bewertungen haben hier keinen Platz.
svadhyaya – das Selbststudium
Yogaübenden wird in der Yogaphilosophie gelehrt, dass das stetige Selbststudium bzw. das Studium der alten Texte Bestandteil eines jeden Yogawegs sind. In der Sprache des Yoga, Sanskrit, wird jenes Studium svadhyaya genannt. Es ist eines der niyamas und somit Teil des achtgliedrigen Pfads von Patanjali. Unter Selbststudium wird alles Lernen, jede Überlegung und jeder Kontakt verstanden, welcher Dir hilft Dir selbst näher zu kommen. Man könnte svadhyaya auch als Selbsterforschung übersetzen. Insgesamt kann man sich Yamas und Niyamas als yogische Werte oder Prinzipien vorstellen, die Deinen Umgang mit Deiner Umwelt und zu Dir selbst regeln. Diese Prinzipien sind die Grundlage, auf welche sich der folgende Yogaweg mit Asana, Pranayama bis hin zur vollständigen Erkenntnis aufbaut. Genau diese Tatsache zeigt einmal mehr, dass jeder Yogi für immer SchülerIn bleibt. Und so sind auch Yogalehrer immer Yogaschüler.
Mit diesem Blogbeitrag möchte ich uns alle im Sinne der yogischen Philosophie daran erinnern, dass wir als SchülerIn begonnen haben und für ewig SchülerIn bleiben. Im Yoga – wie in den meisten anderen Bereichen des Lebens auch – lernen wir nie aus. Wir können vielmehr voneinander lernen und gemeinsam wachsen. Lass Dich als SchülerIn nicht von YogalehrerInnen auf der Matte neben Dir verunsichern. Genauso möchte ich alle YogalehrerInnen ermutigen weiterhin mit SchülerInnen in einem Raum zu praktizieren. Aus meiner Erfahrung ist dies der größte Gewinn und erzeugt eine einzigartig Energie von Yoga.
Mich würde Deine Meinung zum Thema Yogalehrer als Yogaschüler interessieren. Gerne hinterlasse eine Nachricht im Kommentarfeld oder sprich mich bei Deinem nächsten Besuch im Studio persönlich an. Ich freue mich auf den Austausch!
Deine Daniela